Samstag, 15. Juni 2013

Reverie

In der Stadt war es stickig und eng, lärmend und bedrohlich. Kopfschmerzen und Schwindel, Kreislauf kollabiert. Jetzt: das Schnurren einer Katze im Ohr, Erdbeeren und ein Espresso. Ich kaufte mir widerwillig einen neuen Badeanzug in knallbunt. Kennst du das: Du probierst etwas an, siehst dich im Spiegel und findest dich unwiderstehlich. Du fragst nach der Meinung eines anderen (oder du erhältst sie ungefragt) und wirst das Gefühl nicht los, völlig blind zu sein. Du beginnst zu grübeln und zu starren und den Makel zu suchen. Und dann hat er dich in der Hand: Der paranoide Zweifel, ob du falsch liegst mit deinem Wirklichkeitssehen. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Trotz oder dein Individualitätsstreben oder wie auch immer du es nennen willst treibt dich dazu, es dennoch zu kaufen. Oder du ziehst dich traurig wieder um und gehst deiner Wege. Ich tat Ersteres. Warum bin ich bloß immer so müde und erschöpft....

S. (mein bester Freund) gab mir vor kurzem den Rat mich in einer Singlebörse anzumelden und nach Männern ab 30 Ausschau zu halten (da diese normalerweise wissen was sie wollen). Sofort erklärte ich ihm meine Abneigung was das Onlinedating betrifft. Als Teenager war es die aufregendste Tätigkeit, die man am Tag verrichten durfte. Meine ersten zwei Beziehungen, eine kleine Liason und ein ziemlich lang anhaltendes Zwitterding aus Liebe, Besessenheit und Gleichgültigkeit waren Resultate meiner Chatlust. Danach hatte ich die Schnauze voll von diesem Pseudogelaber, der Unwissenheit was sich am anderen Ende des Glasfaserkabels befindet und dem Bildschirm. Ich bekam Lust auf echtes Kennenlernen, langsames Herantasten, auf ein Getränk eingeladen werden, schüchternes Umherkreisen, das Warten auf den ersten Kuss, Annäherungsversuche, Telefonnummern und greifbare Gespräche. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich meldete mich auf einer namhaften Datingseite an, überflog einige Profile und entschied mich dieser Welt schnell wieder Lebewohl zu sagen. Nie wieder. 

Ich träume. Von einer Einladung zum Essen. Ein Abstecher ans Meer. Räume voller Bücher. Menschen die nichts mehr wünschen, als Zeit mit mir zu verbringen. Briefe mit persönlichem Inhalt. Ich träume zuviel. Aber dieser Zustand ist so viel besser als Verbitterung. Wenn du erstmal bitter wirst, kannst du kaum noch glücklich werden.

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