Mittwoch, 2. Juni 2010

S. ist das komplett andere Extrem von mir. Er kann keine Nähe zulassen, hat sich durchs ganze Leben gefickt, das ein oder andere Mal auch im Bordell. Bis vor ein paar Jahren war sein Leben eine einzige Party. Er hatte Geld, Frauen und Ansehen. Seiner Ansicht nach gibt es 2 Arten von Mann (und viele Zwischenstufen): Arschlöcher und Versager. Seiner Theorie nach habe ich durch meine Erfahrungen mit Arschlöchern die Entscheidung getroffen, nur noch Versager aufzureißen. Ich bin dermaßen zwiegespalten was unsere Freundschaft angeht. Einerseits ist er der loyalste und erwachsenste Freund den ich habe und er liebt mich, platonisch natürlich. Es gibt keinen Moment wo er kein Bock auf mich hat. Seine Stimmung steigt sobald ich vorbeikomme. Andererseits ist er von einem so weit entfernten Planeten und ich möchte mir gar nicht vorstellen das andere Männer auch so sind. Schon allein die Aussage das die erste Frau nur eine Testfrau ist und man besser sein 1. Mal mit einer Prostituierten durchführt, ist sehr gewöhnungsbedürftig.

Wenn ich unter Menschen bin, gehts mir um einiges besser. Ich kann den Ekel eine Weile vergessen. Es kommt mir vor wie ein Alptraum, als wäre es nur in meiner Phantasie passiert. Es ist meine Art damit umzugehen. Gleichzeitig empfinde ich Sehnsucht, kann es nicht ertragen mir vorzustellen was er nun von mir denken wird und was er fühlt. Es ist wichtig, dass ich nicht viel trinke. Ich neige dazu ein extremes Leben zu führen. Der tiefe Fall nach einer wunderbar berauschenden Party ist für mich wie ein Schlag in den Magen. Die Leere die vorher mit Spaß und Rausch gefüllt war, beißt sich in meine Innereien. Eine Psychiaterin in der Klinik wollte mir mal Stimmungsstabilisatoren verschreiben, aber dagegen wehre ich mich. Ist es denn so krank das Leben mit all seinen Facetten zu spüren? Ich versuche die Schwankungen durch gemäßigte Handlungen zu ebnen. Mehr Lächeln, weniger jammern, einfach nur leben.

Mein erstes Ziel ist bis zu meinem Auszug in die weite Welt meine sozialen Kompetenzen auszubilden. Es ist größenwahnsinnig nur 2 Monate für etwas einzuplanen, wofür andere 15 Jahre haben. Aber versuchen muss ichs. Ohne Alkohol Menschen treffen, mit ihnen reden. Eigentlich war heute ein recht mieser Tag. Ich bin in die Stadt gefahren und fühlte mich beobachtet und furchtbar hässlich. Ich hab geschwitzt und ich fühlte mich so unwohl zwischen all den Menschen. Als ich einkaufen war befiel mich umso mehr die Nervosität. Was denken die Menschen von mir die mich sehen. Was denkt der Kassierer.

Ja der Kassierer. Mein wirkliches Problem sind junge Männer. Wenn ich betrunken bin ist das absolut kein Problem, da habe ich überhaupt keine Hemmungen, ich führe mich auf wie ein ungezähmtes Pferd. S. sagt dazu: "dein 2. Ich".
Mir wird auch klar wieso ich mich betrinke. Es ist die einzige Situation wo ich mich im Griff habe, wo ich meine Rolle perfekt spiele, die ich bei anderen abgeguckt hab. Bin ich das wirklich? Das ist eine Frage der ich noch nachgehen werde. Jedenfalls konnte ich dem Kerl kaum in die Augen sehen und war froh endlich die scheiß Plastiktüte aufzubekommen, wobei er mir helfen musste. Meine Stimme klang wie ein schüchternes Schulmädchen. Es ist so entwürdigend. Ich kann doch nichts dafür, ich hab die Situation einfach nicht im Griff. Ich war als Kind jahrelang Opfer wirklich verletzender Mobbing-Attacken von Jungen. Die Mädchen waren dagegen harmlos. Aber die Jungen haben mich so gut wie jeden Tag verbal in die Fresse geschlagen. Ich habe bis heute keine Ahnung wie ich trotz dieser täglichen Anfeindungen Freunde finden konnte und relativ gut klar kam, sowie mittelmäßig schlagfertig war.

Mit Abstand betrachtet fällt mir erst auf wie ungemein belastend das gewesen sein muss. Jeden Tag. Aber ich war keines dieser Kinder die irgendwann aus Schulangst nicht mehr gekommen sind. Ich habe äußerlich so getan als wär ich unverwundbar, mimiklos und stark. Ich wurde zeitweise als arrogant betitelt, was ich damals sehr witzig fand. Ich habe mich nicht zurückgezogen oder bin Außenseiter geworden. Irgendwann hatte ich meine clique und wir hatten viele viele schöne Erlebnisse. Aber den Umgang mit Jungen habe ich nie gelernt. Es war für mich auch in der Oberstufe undenkbar mich mit einem Mann anzufreunden. Small-talk mit einem Mann war für mich nicht möglich. Ich denke jetzt, dass meine Ängste vor Beurteilung und die Komplikationen mit Männern aus dieser Zeit resultieren. Da ich früher nie männliche Freunde hatte, fehlt mir diese Erfahrung und ich bin unsicher. Mittlerweile habe ich nur noch männliche Freunde und finde Gefallen daran, nüchtern Small-talk mit Männern zu halten. Jedenfalls gelingt es mir meistens.

Zu meinen weiteren Erkenntnissen schreibe ich morgen. Gute Nacht.

P.S.: Da ist ein Loch in meinem Herzen.

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