Freitag, 8. Januar 2010

Letzte Stunde

Es war seltsam, als würde ich nicht zum letzten Mal den Aufzug nehmen, zum 2. Stock, klingeln und den langen Flur entlang in das gemütlich warme Zimmer gehen. Zur Begrüßung die Hand schütteln und nach etwas zu trinken gefragt werden. Mich in den weichen Sessel setzen und darauf zu warten das sie sich ebenfalls hinsetzt und zuhört. Die Therapiestunden sind ausgekostet, bis zum letzten Tropfen. Ich sage zu ihr: es ist nicht schlimm das es endet, denn so fühlt es sich auch an. Aber dann zum Abschied fühle ich mich furchtbar verloren. Zu Anfang erzähle ich wie immer was vorgefallen ist und wie es mir geht. Danach geht es darum was mir die Therapie gebracht hat und woran ich noch arbeiten muss. Ich sage, dass ich mehr ich sein kann und dazu stehen kann. Und dass ich vieles nicht mehr an mich ranlasse. Aber an den Schwankungen meiner Stimmung möchte ich arbeiten. Zum Ende hin hält sie einen langen Monolog. Ihre Abschiedsworte an mich. Sie schätzt mich und sie freut sich mich kennengelernt zu haben. Sie betont wieviele Ressourcen ich habe und damit meint sie meine vielen Begabungen. Meine Stärke und mein Kampf für ein besseres Leben habe sie beeindruckt. Auch der Kampf was das Studium angeht, dass ich es unbedingt zu Ende bringen will. Und zuletzt meine Ehrlichkeit. Meine standhafte Ehrlichkeit. Darauf bin ich wirklich stolz, das ein Mensch auf dieser Welt verstanden hat was mir wichtig ist. Mich verstanden und akzeptiert hat, in Gänze. Das mir ein Mensch das Gefühl gibt richtig zu sein in allem was ich tue und denke. Das es nicht an mir liegt, jedenfalls nicht immer. Was ich ihr zum Abschied sagen wollte, hatte ich mir typischerweise gar nicht überlegt. Sie sei ein Glückstreffer für mich gewesen und sie habe mir viel beigebracht. Dinge fürs Leben. Auch für ihre Erreichbarkeit zu jeder Stunde und ihre Mühe habe ich ihr gedankt. Sie schenkte mir ein Buch und eine rührende Karte, die ich mir ganz sicher sehr oft durchlesen werde. Ich schenkte ihr meine erst heute beendete Leinwand, mit der Bemerkung das sie nicht perfekt sei aber ich ihren Rat befolgt habe aufzuhören wenn man keine Lust mehr hat und nicht erst wenn mein Perfektionismus Ruhe gibt. Ihre sichtliche Freude tat mir gut. Vielleicht werde ich sie nie wiedersehen, aber ich verstehe jetzt wie man sagen kann: ich kannte mal einen wundervollen Menschen und dabei Freude zu empfinden statt Trauer über das Nie-Wiedersehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen